Was ist ADHS?
ADHS ist eine andere Art zu denken, zu fühlen und zu handeln. Das Gehirn bei Menschen mit ADHS unterscheidet sich in der Art und Weise, wie Neuronen kommunizieren und sich miteinander verbinden. Das betrifft insbesondere die Bereiche im Gehirn, die Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und das Belohnungssystem steuern.
Gut zu wissen
Es gibt nicht nur eine Form der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, sondern ganz viele Ausprägungen. Grundsätzlich werden drei Untertypen unterschieden:
- unaufmerksamer, verträumter Typ = ADS
- hyperaktiv-impulsiver Typ = ADHS
- kombinierter Misch-Typ = ADHS/ADS
Während manche Betroffenen keine bis kaum Probleme mit ihrem ADHS haben, fühlen sich andere in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. Sie haben Mühe, den Alltag zu strukturieren und leiden darunter, nicht ihr volles Potenzial auszuschöpfen.
Wie fühlt sich ADHS im Erwachsenenalter und insbesondere bei Frauen an?
Menschen mit einem hyperaktiven Gehirn sagen: «Mein Gehirn steht nie still. Es dreht sich immer.» Die Autorin Angelina Boerger beschreibt es in ihrem gleichnamigen Buch als «Kirmes im Kopf». Als ständigen inneren Drang, etwas zu tun – und es dann doch nicht zu tun. Wie eine nie endende To-do-Liste:
- Man beginnt viele verschiedene Dinge, hat aber Mühe, sie zu beenden.
- Man hat jeden Tag eine neue Idee – und verwirft sie dann wieder, weil die Umsetzung zu anstrengend ist oder das nächsten Projekt schon ansteht.
- Man ist innerlich unruhig, kann sich schlecht konzentrieren und lässt sich leicht ablenken.
- Routinearbeiten sind eine Tortur, genauso wie verbindliche Pläne.
- Wer sich jedoch für ein Thema interessiert, kann den sogenannten Hyperfokus entwickeln und tief in die Materie eintauchen.
- Im Gespräch entsteht die Tendenz, viel und schnell zu reden und auch mal Dinge zu sagen, die man später bereut.
Charakteristisch bei Frauen mit ADHS ist ein tiefes Selbstwertgefühl, aber eine hohe Resilienz. Irene Beerli von der Beratungsstelle adhs20+ sagt dazu: «Von klein auf mussten sie immer wieder Hürden überwinden, sind auf Widerstand gestossen. Frauen mit ADHS sind oftmals sehr empathisch, haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und stellen die Bedürfnisse anderer vor ihre eigenen.»
Warum wird ADHS bei Mädchen und Frauen nicht so leicht erkannt?
ADHS betrifft sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene. Frauen können ebenso häufig ADHS haben wie Männer, erleben es jedoch oft völlig anders. Während sich ADHS bei Jungen und Männern eher durch äussere Symptome wie Hyperaktivität und Impulsivität zeigt, sind Mädchen und Frauen eher verträumt, haben Konzentrationsprobleme und leiden an innerer Unruhe.
Beim Begriff ADHS haben viele sofort das Bild des Zappelphilipps vor Augen – ein Kind, das nicht stillsitzen kann, das den Unterricht stört, das schlechte Schulnoten hat. Dabei ist ADHS viel mehr als Hyperaktivität. Es weist ein breites Spektrum auf und wird in die Hauptmerkmale Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörungen und Impulsivität unterteilt.
Wenn ein Mädchen in der Schule gut mitkommt (obwohl sie immer nur das Nötigste macht) und auch sonst nicht negativ auffällt, kann es gut sein, dass ihr ADHS lange unerkannt bleibt – oder gar nie festgestellt wird. Und dass Merkmale wie Ungeduld, Minimalismus, Begeisterungsfähigkeit, Verträumtheit oder auch Wut und Aggressionen fälschlicherweise als Charaktereigenschaften benannt werden.
Wie zeigt sich Hyperaktivität bei Erwachsenen?
- Ineffizienz bei der Arbeit
- Wird unruhig bei langen Meetings
- Neigt dazu, sich beim Fahren nicht an das Tempolimit zu halten
- Unterbricht andere
- Macht unpassende Kommentare
Wie zeigen sich Aufmerksamkeitsstörungen bei Erwachsenen?
- Macht häufig Flüchtigkeitsfehler (z. B. vergisst Formulare zu unterschreiben)
- Liest Anleitungen nicht durch
- Findet Routinearbeiten und lange Abhandlungen mühsam
- Vermeidet Aufgaben, die viel Denkarbeit / Durchhaltevermögen verlangen
- Verlegt oder verliert Alltagsgegenstände (z. B. Schlüssel, Smartphone)
- Wird leicht abgelenkt durch Gespräche, Musik, E-Mails, Anrufe, Nachrichten
Wie zeigt sich Impulsivität bei Erwachsenen?
- Fällt anderen ins Wort, beendet Sätze von anderen
- Sieht schnell mal rot
- Handelt oder spricht, ohne an die Folgen zu denken (im Nachhinein wird das Getane bereut)
- Risikoreiches Fahren im Strassenverkehr; regt sich über andere auf
- Beim Schlange stehen: Hat Probleme abzuwarten, bis man an der Reihe ist
- Macht Spontankäufe
Habe ich ADHS?
Hast du den Verdacht, dass du eine ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit oder ohne Hyperaktivität) haben könntest? Der ADHS-Test der Beratungsstelle adhs20+ gibt erste Hinweise. Wenn du 20 und mehr Punkte erreichst hast, ist es empfehlenswert, mit einer Fachperson zu sprechen (ADHS-Beratung / ADHS-Fachpersonen).
Eine Abklärung ist sinnvoll, wenn...
- du das Gefühl hast, dass du nicht dein ganzes Potenzial ausschöpfst und das ändern möchtest.
- du immer wieder aneckst, ohne genau zu wissen, was du «falsch» gemacht hast.
- du dir von klein auf anhören musstest, du seist faul, du könntest schon, wenn du nur wolltest.
- du viele Flüchtigkeitsfehler machst.
- du dich schnell ablenken lässt.
- du Dinge oft aufschiebst oder gar nicht machst, weil sie zu anstrengend sind.
- Routinearbeiten für dich eine Qual sind.
Bringt mich eine Diagnose weiter?
Eine Diagnose kann Betroffenen in jedem Alter helfen. Viele berichten, dass sie froh darüber seien, endlich etwas in der Hand zu halten. Es schwarz auf weiss zu sehen, dass sie sich die Symptome nicht einbilden, nicht verrückt sind, kann befreiend sein.
Eine Diagnose bedeutet aber noch lange nicht, dass man nun täglich Medikamente nehmen oder eine Therapie machen soll. Manche haben im Laufe ihres Lebens schon erfolgreich Strategien entwickelt und kommen gut durch den Alltag. Andere wünschen sich in bestimmen Situationen mehr Unterstützung und nehmen diese gerne an.