Interview zum Thema Eisbaden
Mit Helena Hefti, Wim-Hof-Trainerin
Was hat dich dazu inspiriert im Winter draussen baden zu gehen?
Die Entscheidung, mich den Wim-Hof-Methoden (Eisbaden und Atemtechnik) zu widmen, insbesondere dem faszinierenden Ritual des Eisbadens, wurde durch die erstaunlichen Ergebnisse der Endotoxin-Studie inspiriert.
Diese Studie zeigt eindrucksvoll, dass durch spezielle Atemtechniken und Kälteexposition erstaunliche Ergebnisse erzielt werden können. Es hat mich beeindruckt, dass wir mit scheinbar simplen Methoden unser Immunsystem so rasch beeinflussen können.
Wie gesund ist ein Eisbad? Welche Vorteile hat die Kryotherapie?
Das Winterbaden bietet physiologische Vorteile durch die Erzeugung von moderatem Stress («hormetisch»), der optimale Anpassungen im Körper fördert. Dieser gesunde Stress ermöglicht eine verbesserte Bewältigung von Herausforderungen sowie eine schnellere Rückkehr zur inneren Balance.
Eisbaden trainiert das Gefässsystem und fördert die Durchblutung. Unser Körper schüttet Glückshormone aus, die auch entzündungshemmend wirken. Die Kälte beeinflusst unsere Schmerzempfindung, steigert die Anpassungsfähigkeit und erhöht die Anzahl gesunder, brauner Fettzellen.
Für mich ist es vor allem faszinierend zu erkennen, wie Körper und Geist miteinander verbunden sind. Nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Stärke und Achtsamkeit fördert unsere Gesundheit. Dieses Bewusstsein wird besonders durch die Herausforderung beim Kältebad intensiviert.
Ich bin Anfängerin – wie gehe ich richtig Eisbaden? Worauf sollte ich achten?
Eisbaden hat viele Vorteile, es gilt jedoch ein paar Regeln zu beachten. Für Anfänger und Anfängerinnen, die sicher ins Winterbaden einsteigen möchten, ist die mentale Ausrichtung und körperliche Entspannung wichtig.
Eine entspannte, freudige Entschlossenheit, verbunden mit Offenheit und Neugierde, schafft die richtige Einstellung. Wenn du also neu in der Kryotherapie bist, habe ich ein paar Tipps für dich:
Die Unterstützung anderer kann ermutigend und inspirierend sein.
Den idealen Zeitpunkt für ein Eisbad gibt es nicht. Es gibt Menschen, auf die die Kälte einen aufputschenden Effekt hat, während sie anderen hilft, besser einzuschlafen. Verzichte vor dem Baden aber üppiges Essen, Koffein und Alkohol.
Idealerweise planst du nach dem Kältebad aber immer genügend Zeit zum Aufwärmen ein, bevor du einer sitzenden Arbeit nachgehen musst. Sonst besteht Gefahr, dass du den ganzen Rest des Tages frierst.
Trage neben deiner Badekleidung eine Mütze, wenn du magst. Was vielleicht komisch klingt, ist aber angenehm. Neopren-Handschuhe und -Schuhe können helfen, die Hände und Füsse bei der Kälte beweglich zu halten.
Es ist sehr wichtig, dass sich der Körper an die kälteren Temperaturen gewöhnen kann. Deshalb, erst die Füsse, dann die Beine und zum Schluss langsam, aber stetig den Oberkörper bis zum Herzen untertauchen. Benetzen ist in diesem Fall nicht nötig, denn dies führt im sehr kalten Wasser meist dazu, dass wir zu lange nur mit den Füssen/Beinen im Wasser stehen. Das kann schmerzhaft sein.
Sicherheit geht vor: Lass dir ein bisschen Zeit, bevor du nach dem Training oder der Sauna ins Wasser gehst. Tauche in Eislöchern niemals ab, wenn auch die Arme unter der Eisdecke sind. In Seen und Weihern kann es Strömungen geben, die dich vom Einstiegsloch wegtreiben. Dann findest du womöglich den Ausstieg nicht mehr. Zudem verliert der Mensch beim Eintauchen des Kopfes in sehr kaltes Wasser schneller Wärme, was gefährlich werden kann. Im Fluss solltest du erst schwimmen, wenn du kälteerfahren bist. Such dir bis dahin einen Ort ohne Strömung, wo du entspannt sitzen und deinen Körper wahrnehmen kannst.
Damit du die Atmung unter Kontrolle behältst, konzentriere dich auf langsames Ausatmen. Ahhs und Ohhs oder sogar schreien, kann hilfreich sein, um nicht in eine Hyperventilation (übermässig-schnelle Atmung) zu verfallen. Je langsamer du atmest, desto einfacher kann sich der Körper anpassen und seine Temperatur bewahren.
Man muss sich ans Winterbaden erst gewöhnen. Höre darum unbedingt auf deinen Körper und setz dich nicht unter Druck. Beim Kaltbaden und bei Wassertemperaturen unter 10 Grad ist die ideale Badedauer 2 bis 3 Minuten. Nicht weniger und nicht mehr. Ein Aufenthalt im Eisbad von mindestens zwei Minuten ermöglicht es Körper und Geist, sich anzupassen und wieder die Balance zu finden. Das ist das Ziel beim Kältebad. Viel länger als dieser Richtwert sollten Eisbade-Anfängerinnen und -Anfänger nicht im Wasser bleiben. Unabhängig davon, wie kalt sie sich fühlen.
Vorsicht
Das stärkste Kältegefühl tritt erst einige Minuten nach dem Bad ein, wenn der Körper das kalte Blut aus den Extremitäten wieder mit dem wärmeren Blut rund um Herz und vitale Organe mischt. Das kann sich unangenehm anfühlen. Wenn du die Kraft der Kälte nicht respektierst und zu lange im Wasser verbracht hast, kann dies zu gefährlichen Reaktionen führen. Steigere deshalb die Dauer, wenn überhaupt, nur Schritt für Schritt. Es gibt keine Studien, die besagen, dass längere Bäder gesünder sind. Regelmässigkeit hingegen zahlt sich aus.
Stehe langsam auf und verlasse das Wasser. Gib dem Körper ein paar Minuten Zeit, bevor du ihn leicht trocknest und dich anziehst. Wärme dich langsam auf, am besten von innen heraus mit einem warmem Tee oder ähnlichem (kein Alkohol). Zieh dich nicht zu warm an und gehe nicht direkt in stark geheizte Räume oder unter eine warme Dusche. Vermeide alle Aktivitäten, die den Puls schnell ansteigen lassen, damit der Körper das kalte Blut aus den Extremitäten in seinem eigenen optimalen Tempo wieder mit dem wärmeren Blut beim Herzen mischen kann.
Die Wirkung des Eisbadens tritt erst nach dem Bad ein. Die Kombination von kaltem Blut aus den Extremitäten mit dem wärmeren Blut rund um Herz und Organe kann unangenehm sein. Deswegen empfiehlt auch die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) ein langsames Aufwärmen der Körpertemperatur.
Gut zu wissen: Bei Unterkühlung ist die Bluttemperatur vor allem an Händen und Füssen sehr kalt. Wird dieses kalte Blut nun mit zu schnellem Aufwärmen oder mit Kardioübungen (Joggen) zu rasch in Richtung Herz befördert, kann dies gefährlich sein.
Mach die Freude am kleinen Kälte-Abenteuer zu deinem obersten Ziel. Je mehr du lernst, dich dabei zu entspannen und den Moment zu geniessen, desto gelassener kannst du mit der Zeit auch mit alltäglichen Herausforderungen umgehen.
Gibt es Rituale oder Zeremonien, die du vor oder nach dem Eisbaden im Winter praktizierst?
Ich praktiziere vor dem Eisbaden meistens die Wim-Hof-Atmung und mit Anfängern auch kurze Entspannungs-Übungen. Nach dem Baden mache ich Yoga und trinke gerne warmen Tee gemeinsam mit meinen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern.
Wer sollte die Kältetherapie nicht anwenden?
Eisbaden solltest du nur dann, wenn du dich körperlich fit fühlst und dein Kreislauf stabil ist. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf diese Form der Kryotherapie, und individuelle Gesundheitszustände können variieren. Daher ist es ratsam, vor dem Eisbaden oder anderen intensiven körperlichen Aktivitäten einen Arzt oder eine Ärztin zu konsultieren, insbesondere, wenn Vorerkrankungen vorliegen.
Hier sind einige Situationen, bei denen vom Eisbaden abgeraten wird:
- Schwangerschaft: Eisbaden ist eine intensive körperliche Aktivität, und es fehlen Studien zu den Auswirkungen der Kälte auf das Kind. Deshalb sollten schwangere Frauen auf Eisbaden verzichten.
- Hoher Blutdruck und Herzkrankheiten: Personen mit hohem Blutdruck oder Herzkrankheiten müssen aufgrund der Belastung des Herz-Kreislauf-Systems vorsichtig sein und zuerst mit einem Arzt oder einer Ärztin sprechen. Die Kälte kann das System auch stärken, aber nur wenn die Person sich sehr langsam und Schritt für Schritt an kalte Wassertemperaturen gewöhnt.
- Raynaud-Syndrom Typ 2: Menschen mit Raynaud-Syndrom oder ähnlichen intensiven Durchblutungsstörungen (weisse, kalte Gliedmassen) sollten auf das Winterbaden verzichten.).
- Epilepsie, Panikattacken und ähnliche Krankheiten: Das Eisbaden ist eine Herausforderung und kann Symptome auslösen. Auch hier gilt es, sich mit einem Arzt oder einer Ärztin abzusprechen. So kann Kälte, in sicherer Umgebung und mit der nötigen Angewöhnungszeit und kompetent begleitet, die Resilienz der Person stärken.
- Nicht direkt nach dem Krafttraining: Während Ausdauersportler und -sportlerinnen die regenerierenden, entzündungshemmenden Effekte der Kälte direkt nach dem Training schätzen, wird sie von Kraftsportler und Kraftsportlerinnen eher gemieden. Grund dafür ist, dass ein Kaltbad die muskelaufbauenden Effekte anscheinend mindern kann, wenn die Exposition unmittelbar nach dem Training erfolgt. Es gibt jedoch noch wenige Studien zur Kälteanwendung im Sport.
- Frauen vor der Periode: Frauen sind hormonbedingt etwas kälteempfindlicher kurz vor oder während der Menstruation. Wenn möglich lohnt es sich, das erste Kälteerlebnis ausserhalb dieser Zykluszeit zu planen.
Gibt es Vorurteile oder Missverständnisse, die aufgeklärt werden müssen?
Viele Menschen haben die vorgefasste Meinung, dass sie schon immer kälteempfindlich waren und das Eisbaden daher nichts für sie sei. Aber wie ein Eisbad tatsächlich auf uns wirkt, können wir nur wissen, wenn wir es einmal selbst ausprobieren.
Die vielen gesundheitlichen Vorteile und die Tatsache, dass wir ganz umsonst ins kalte Wasser steigen können, sollten eigentlich Grund genug sein, um es einmal zu wagen. Wir Menschen sind gut ausgestattet, wenn es darum geht, mit Kälte umzugehen (Zum Beispiel durch dieThermoregulation). Deshalb brauchen wir auch nicht unbedingt einen Kurs zu besuchen, um in kaltes Wasser zu steigen.
Wenn jemand jedoch (zu) viel Respekt vor der Kälte hat, um den ersten Schritt zu wagen, kann es sich lohnen, sich begleiten und ermutigen zu lassen, um von der Erfahrung einer Instruktorin oder eines Instruktoren zu profitieren.
Das Eisbaden bietet dir auch die Möglichkeit, auf spielerische Weise deine mentalen Grenzen zu erkunden, zu erweitern und damit ganz nebenbei noch das Immunsystem zu stärken.
Gibt es inspirierende Erfolgsgeschichten, die du teilen möchtest?
Ja, eine schöne Geschichte ist die von Somlid, einem Vietnamesen, der erst drei Monate in der Schweiz war und im Frühling in meinen Kurs kam. Er hatte ständig gefroren, und anstatt sich diesem Unwohlsein hinzugeben, entschied er sich, aktiv etwas dagegen zu unternehmen.
Später schickte er mir Fotos, die zeigten, wie er im tiefsten Winter entspannt in einem Eissee sitzt. Diese Erfolgsgeschichte zeigt, dass selbst jemand, der die Kälte nicht gewohnt ist, mit Entschlossenheit und der richtigen Einstellung Freude am Eisbaden finden kann.
Hast du selbst einen schönen Erfolg beim Eisbaden gefeiert? Dann freuen wir uns auf deine Geschichte und deinen Kommentar!